Anki Takahashi, genannt „Anki-Sensei“

Portrait eines großen zeitgenössischen Karatemeisters.

(von Andreas F. Albrecht und Schlatt)

ANKI TAKAHASHI, geboren 1940, ist lehrendes Mitglied der Karate-Zentrale der JKA in Tôkyô und Mitglied im Gremium der Großmeister, dem Shihan-kai der JKA. Damit gehört er zum Kreis der wichtigsten Meister, die in der Nachfolge des japanischen Shôtôkan-Stils stehen.

Das intensive Karatetraining begann für den jungen TAKAHASHI in Tôkyô, als er sich mit 18 Jahren an der renommierten Komazawa- Universität immatrikulierte. „ANKI-Sensei“ hatte sich für die Komazawa- Universität entschieden, um Buddhismus im Hauptfach zu studieren. Er war damals also Theologiestudent, wenn man das auf europäische Verhältnisse übertragen möchte.

Rasch zog die Karateabteilung der Universität den jungen TAKAHASHI in ihren Bann. Dies verwundert nicht, ist doch die Komazawa-Universität bis heute neben der für Karate weltberühmten Takushoku Universität eine der legendären »Karateuniversitäten« Japans.

Viele namhafte Karatekas des zwanzigsten Jahrhunderts sind Absolventen der Komazawa- Universität. TAKESHI OISHI, der bei den Alljapanischen Meisterschaften 1967 HIDEO OCHI letztlich im Finale unterlag, aber dann in den Jahren 1969 - 71 und 1973 die Kumite-Wettbewerbe gewann, studierte und trainierte ebenso an der Komazawa-Universität wie ANKI-sensei's Sempai, der weltbekannte, heute in Italien lebende HIROSHI SHIRAI. Als TAKAHASHI in die Universität eintrat, war SHIRAI in seinem dritten Studienjahr. Er beteiligte sich maßgeblich an TAKAHSHI's Ausbildung. Auch TAKESHI NAITO, der heute Trainer der italienischen Nationalmannschaft ist, entstammt der gleichen Hochschule. Enge Verbindungen entstanden damals zu dem im letzten Jahr verstorbenen TAIJI KASE.

Nach dem Abschluß seiner Studien an der Komazawa-dai belegte ANKI TAKAHASHI den Instruktorenkurs der JKA. Hier trainierte er unter anderem zusammen mit HIDEO OCHI unter der Leitung von MASATOSHI NAKAYAMA. Und hier wurde er als der exzellente Beintechniker bekannt, als der er bis heute gilt. Wer's gesehen hat, kann es bestätigen: ANKI-sensei's Tritte sind von bestechender Präzision.

Trotz seiner hohen Begabung ging er aber dennoch nicht den Weg der Wettkämpfer. Er schlug auch keine professionelle Karatelaufbahn ein, sondern vertiefte seine buddhistisch-theologischen Studien. Nach Abschluß der Universität trat er in das weltberühmte Eiheiji-Kloster ein, um sich einer Zenschulung zu unterziehen. Zielstrebig betrieb er seine Ausbildung zum buddhistischen Priester, um das Priesteramt im einem Familientempel im Nordosten Japans anzutreten. Dennoch verlor ANKI-sensei nie „sein“ Karate aus den Augen.

ANKI TAKAHASHI ist heute Träger des 8. Dan der JKA und füllt für diese Organisation die Position des Cheftrainers im Landkreises Miyagi im nördlichen Honshu als Nachfolger von YUJI SATÔ aus. Trotz seiner priesterlichen Aufgaben findet ANKI-sensei immer noch ausreichend Zeit, sich um die Belange des japanischen Karate zu kümmern und Lehrgänge abzuhalten. Neben Kanada und den USA besucht er seit Jahren regelmäßig Deutschland und war auch schon mehrfach Gasttrainer beim großen Gasshuku des DJKB.

ANKI-sensei ist in deutschen Karatekreisen auch als Kalligraph bekannt. Er hat dankenswerterweise die »Tuschespuren« für das Buch »Dôjôkun« geschrieben. Als er hörte, daß auf deutsch ein Buch über die Kernaussagen der Karatephilosophie geschrieben wurde, war ihm das eine große Freude. Spontan hat er sich daher bereit erklärt, die Dôjôkun eigens für dieses Buch auf japanisch zu kalligraphieren. Für ANKI-sensei verbindet sich nämlich auf dem Karateweg Ästhetik, Philo-sophie und Übungspraxis zu einem einheitlichen Ganzen. Das ist für ihn so selbstverständlich, daß er darüber so gut wie nie ein Wort verliert. Wie könnte das für einen Karatemeister, der zugleich Zenpriester ist, auch anders sein?

Um nochmal näher auf ANKI-sensei's Karatepraxis einzugehen: TAKAHASHI vergleicht einen Karatekämpfer immer wieder mit einem Puma. Die Techniken, sagt er, sollen schnell und präzise, aber gleichzeitig geschmeidig sein. Und daß seine eigenen Techniken so sind, wie sie sein sollen, kann ANKIsensei unter Beweis stellen: Die Geschmeidigkeit, die der heute 65-jährige Meister an den Tag legt, versetzt sachkundige Beobachter immer wieder in äußerstes Erstaunen.

In Unterricht und Training leitet Großmeister TAKAHASHI zu hoher Konzentration auf die technischen Aspekte des Karate an. Und doch sorgt er mit witzigen Bemerkungen und Gesten nach kräftezehrenden Übungen bis zur Belastungsgrenze immer wieder für die nötige Auflockerung – das motiviert!

TAKAHASHI ist kein Meister, der in unnahbaren Höhen schwebt. Während seiner Lehrgänge zeigt sich, daß ihm jeder Teilnehmer wichtig ist. Er beobachtete offensichtlich jeden Einzelnen ganz genau, geht immer wieder auf diesen oder jenen Teilnehmer zu und korrigiert geduldig Stellung und Technik. Sicher ist diese fast schon individuelle Betreuung für TAKAHASHI harte Arbeit, aber ANKI- sensei sagt, es sei ihm ein persönliches Anliegen, jeden einzelnen auf dem Karateweg zu fördern, wenn er nur Interesse zeigt. Jeder soll seiner Meinung nach die Gelegenheit haben, mit klaren Vorstellungen über seine eigenen Stärken und Schwächen bis zum nächsten Lehrgang an sich zu arbeiten.

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